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Adams Äpfel



Land: Dänemark
Laufzeit: 95 Minuten
FSK: 16
Starttermin: 31. August 2006

Genre: Schwarze Tragikomödie

Regie: Anders Thomas Jensen
Drehbuch: Anders Thomas Jensen
Darsteller: Ulrich Thomsen, Mads Mikkelsen, Nicolas Bro, Ali Kazim, Paprika Steen, Ole Thestrup, Nicolaj Lie Kaas, Gyrd Lofqvist, Lars Ranthe
Kamera: Sebastian Blenkov
Schnitt: Anders Viladsen
Musik: Jeppe Kaas








Dänemark - das Land der Geisterstädte, zufriedenen und ruhigen Menschen und überteuerten Preise. Es ist aber auch das Land, das in aller Regelmäßigkeit hervorragende Filme zum Vorschein bringt, besonders im Bereich der Komödie. So war es zuletzt der derbe Animations-Spaß "Terkel in Trouble", so ist es nun die nicht minder zurückhaltende Tragikomödie "Adams Äpfel", Dänemarks Oscar-Kandidat für den besten nicht-amerikanischen Film 2006.

Adam (Ulrich Thomsen) ist ein Neo-Nazi, der vorzeitig aus der Haft entlassen wird, jedoch nur unter der Voraussetzung, dass er sich einer Art Therapie auf dem Land bei Pfarrer Ivan (Mads Mikkelsen) unterzieht. Dieser kommt ihm von der ersten Minute an äußert merkwürdig vor, mit seiner Gute-Laune-Musik im Auto und seinem unerschütterlichen positiven Geiste. Ivan verlangt von Adam, dass er sich ein Ziel setzt; etwas, das er während seines Aufenthaltes erreichen möchte - Adam entscheidet sich für das Backen eines Apfelkuchens. Der Pfarrer verlangt deshalb von ihm, dass er sich um das Prunkstück des Gartens, einen Apfelbaum, kümmert. Neben Adam nehmen noch zwei weitere Personen an diesem "Seminar" teil: Der Alkoholiker Gunnar (Nicolas Bro) sowie der Dieb Khalid (Ali Kazim). Schon bald wird klar: Mit Adams Erscheinen ändert sich alles und so manch einer muss sein Weltbild hinterfragen.

"Adams Äpfel" ist mal wieder so ein Film, dessen Stärken man nur schwer in Worte fassen kann. Er lebt zum Beispiel vom ständigen Gesinnungswandel seiner Charaktere, wovon man in Einzelheiten natürlich nichts verraten sollte. Besser: nicht darf. Aber so viel steht fest: In schöner Regelmäßigkeit ist "Adams Äpfel" einfach urkomisch. Es ist jedoch nicht dieser Humor, über den die ganze Familie lacht, sondern ein Bitterböser, Derber und Rabenschwarzer. Und das mit den Raben ist wortwörtlich zu nehmen. Ein vielleicht etwas schräger Vergleich, aber aufgrund der Aktualität sich anbietend: In "Emmas Glück" wusste man in manch einer Situation nicht, ob man lachen oder doch eher trauern sollte. Hier ist es genau so, wahrscheinlich sogar noch eine Spur schärfer. Beispiel-Szene: Als Adam Ivan darüber aufklärt, dass seine beiden Schützlinge längst nicht so saubere Jungs sind, wie er das gerne hätte, tut Ivan das mit seinem Alles-ist-doch-gut-Gerede ab. Adam kann diese Naivität nicht fassen und schlägt ihn. Witzig. Und noch einmal. Immer noch witzig. Als er dann jedoch damit beginnt, den am Boden liegenden Pfarrer zu treten, bleibt einem das Lachen im Halse stecken.

Während des Films vollzieht sich überhaupt ein starker Wandel. Gestaltete sich "Adams Äpfel" zu Beginn noch mehr als abgedrehte Komödie, entwickelt es sich im weiteren Verlauf stärker zu einem waschechten Charakter-Drama, denn gerade die Figur des Pfarrers Ivan ist von lange nicht mehr erlebter Tragik umhüllt. Kann man am Anfang nur darüber lachen, wie naiv und gutgläubig dieser Mensch durch die Gegend läuft (Gunnar kippt sich beispielsweise eine Flasche nach der anderen rein und verkauft dem Pfarrer das als Medizin), ändert sich diese Sichtweise mit einer Enthüllung schlagartig. Und spätestens als Adam Ivan mit der Wahrheit konfrontiert, gegen die er sich - aus gutem Grund - die ganze Zeit über gestemmt hat, wird aus dem belächelten Charakter ein Bemitleidenswerter.

"Adams Äpfel" ist halt Charakter-Kino vom Allerfeinsten, das von seinen hochklassigen Darstellern profitiert. Ulrich Thomsen, ein in seiner Heimat schon mehrfach ausgezeichneter Schauspieler, spielt den Neo-Nazi, den im Grunde einzigen über die gesamte Dauer wirklich ernstbleibenden Charakter. Demzufolge ist das, was Regisseur und Autor Anders Thomas Jensen hier von seinem Publikum verlangt, schon mehr als waghalsig: die Identifikation mit einem Neo-Nazi. Und dass das an den Stellen, an denen es das soll, auch tatsächlich gelingt, ist ihm gar nicht hoch genug anzurechnen. An Mads Mikkelsen, der sämtliche Facetten seines tragikomischen Charakters Ivan auf nahezu geniale Weise zeigt, wird auch das breite Publikum bald seine Freude haben: Er spielt den Bond-Bösewicht in "Casino Royale" - wir freuen uns drauf. Desweiteren sind Nicolas Bro und Ali Kazim ebenso lobend zu erwähnen wie Ole Thestrup, der einen Doktor verkörpert. Und als dieser zu Beginn sagt "Ich spreche die Dinge gern offen an" - nun ja - untertreibt er etwas. Nur so viel: Im Vergleich zu ihm ist Dr. Julius Hibbert von den "Simpsons" der Inbegriff von Zurückhaltung und Feingefühl.

Und um zum Schluss noch eine weitere Stärke zu nennen: "Adams Äpfel" kann auf jeden Zuschauer eine andere Wirkung entfalten, entweder als schwarze Komödie mit ernsten Untertönen oder als vordergründiges Drama mit derben Passagen zur Auflockerung. A propos derb: So ganz zimperlich sollte man nicht sein, möchte man sich diesen Film antun. Einige Szenen sind nichts für ganz Zartbesaitete. Schade wär's aber, denn "Adams Äpfel" ist ein kleines Kino-Highlight dieses Jahres, witzig und bewegend zugleich, das aus seinen limitierten Möglichkeiten alles herausholt, so dass es nicht im Geringsten etwas daran auszusetzen gibt. Danke für den Mut zur Respektlosigkeit und zur Frische, ohne den solch belebende Werke nicht zustande kommen könnten. Also: Unbedingt anschauen!



Note: 1-



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